Andrea Jeska                

Reportagen und Porträts
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blauumrandete tage

 

der see schlug blaue wellen im grauen

schilf flochten die schwäne

sich sommers ein bett.

wir stachen eine höhle

ins torf die tische

mit ackerkraut geschmückt.

fünf jahre schliefen wir ohne träume.

im dorf suchten sie uns. die eltern

weinten umsonst und doch 

es war schon vorgekommen dass

jemand verschwand  man ihn erhängt

an dem apfelbaum fand

der nie wieder blühte.

 

manches war gut bis der hinkende

vergass zum mond zu klagen

mit einem jagdgewehr 

erst die sau  dann seinen vater erschoss

 –im stall – wo beide im selben blute lagen.

manchmal kommt mir das eine

das andere erneut in den sinn

der strauss aus drillichskerben

kamille im haar

die träume mit

blauem rand der laue

regen die rüben

vom feld und die lieder die meine

mutter mir

an keinem abend sang.

 

 

 

 

 

nachtgesang

 

ausgerechnet in velika kladusa, bosnische stadt,

zwei kilometer noch bis kroatien,

sah ich dich an und wünschte mir

ewigkeit

 

wir saßen im café bei dem

mann aus marokko der war

zum achten mal gescheitert

sie griffen ihn kurz vor slowenien.

 

nahmen ihm schuhe, geld, die bilder

der mutter , darauf lachte sie

vor der tür eines hauses

in den tälern des atlas

 

die dornen aus der krone

eines fremden erlösers

steckten in seinen füßen

an die sohlen

klammerte sich das verlorene land.

seine haut hatte das

grau der heimatlosen krumm lag sie

auf seinem gesicht.

 

immerhin sagte er haben

sie ihn nicht geschlagen aber

könnten sie ihn

nicht wenigstens erschießen

die flucht sei doch schon tod

und so viele lägen auf dem weg

ganz ohne gräber.

 

vom zigarettenqualm brannten deine augen,

ich sah dich schon

wegen anderer dinge

nicht weinen.

auch nicht um mich.

 

als es nichts mehr zu sagen gab

umschlang der rauch unser schweigen

wir alle wussten um den preis der

noch heute zu zahlen war.

einen euro für den nun kalten kaffee.

die flucht wie die liebe

stottern wir mit unseren hoffnungen ab.

 

in velika kladusa, bosnische stadt,

sang der nachtvogel

lange vor der dunkelheit

und was uns daran rührte

klebte an uns wie trockenes blut.

 

unser mitleid taugte für nichts.

die wohlgeformten silben

stockten in der luft.  

 

später sahst du auf deinen bildern

nur schatten und ich riss die seite aus dem block

auf der nichts vom sterben stand

nur: haus baum amselgesang.

 

 

ein jahr später

 

wieder lernen

das leben

den steinen

aus dem weg zu gehen

das nebelgeflecht der wolken

für illusion zu nehmen

und sich nicht mehr sehnen.

 

wieder fühlen das meer

und die kühlen nächte

im april.

dem himmel seine grenzen  weisen

und wieder sehen den glanz

der natter in der furche beim feld

hören, den herzschlag

der halme. die reiher über bleichem see.

 

den schnee. 

waldesruh

 

ich zöge so gern mit dir

in den wald  du weißt schon

am rande der ferne 

da bring ich dir knollen und blüten 

und beeren so grade

vom strauch

 

dann mit sattem

bauch bau ich uns endlich

ein haus

aus tau und was

die spinnen von ihren netzen 

mir lassen.

kinderglaube

 

angenommen ich fände

die blaue blume

nach der

dichter sich sehnten.

der eine erträumte

der andere suchte sie

vergebens die

jahrhunderte

gingen darüber

hinweg

 

lange schon

hält sich der mythos

ihrer magie als

dass man daran

noch glauben fände

und schon gar nicht eine

wie ich einer

wie du.

 

und doch angenommen

ich legte

sie in deine nacht

auf dein erkaltetes herz

fänden wir dann nach haus?

nach haus.

 

 

nacht in der sahara

mauretanien

 

am tag schon haben wir die uhren zerstört

mit den zahnrädern den hungrigen das maul

gestopft die zeiger nagelten wir an die

blassen mauern von nouakchott. erst als

der weg endet fragen wir was das wird diese

sehnsucht nach nirgendwo und singenden winden.

bei nomaden finden wir rast. der rauch von feuer

weist unsere träume in grenzen bis in der ferne die 

lieder verklingen. den becher voll ziegenmilch trinken 

die hunde leer. schon fallen im westen sterne aufs land.

zum schlafen spannen wir den himmel von halbmond zu halbmond

und auf dem bogen der dünen zieht licht wie karawanen davon.

 

in dieser nacht glauben wir an gottes hand. 

maitag am schlagbaum

ostkongo

 

There is a silcence where hath been no sound (Thomas Hood)

 

Der himmel bleibt davor dahinter fressen schlammbraune zikaden ihres und der anderen gleichen,  wer heute auf welcher seite für welchen grund geopfert wird, steht eines tages vielleicht in den büchern. ach ja, mal wieder

ein maientag da drängt die schwüle die menschen zu dingen gleich hinter dem schlagbaum liegt einer ist besoffen oder auch tot die ziege starb wohl schon gestern seither fressen die krähen aus ihrem hohlen bauch. die händlerinnen tragen limonade von zitronen über den schlagbaum schwingt der soldat aus bangladesch blauhelm und heimweh.  auf der gegenspur rollt der toyota-konvoi der befreiten sie jubeln der heimat entgegen und letztes mal sagt mit unterton die grenzpolizistin reisten sie noch als künstlerin ein sie sind wohl flexibel? keinesfalls sag ich diese grenze verlange nach der kunst des lebens

 

und zahl gleich den preis: visum verweigert. am abend werfen sie den betrunkenen und was die krähen von der ziege ließen auf einen wagen da sitz ich in den gärten von gisenyi und trinke  mir meine kongolesische sehnsucht schön. 

addis abeba am abend

 

vom hotelbalkon fällt mein blick

auf hungerquartiere dunlop motorenöl

kanister unter dem fliegenfleisch

sechs stockwerke tief 

wellgeblechte hütten nix zu fressen

denke ich aber satellitenschüsseln

auf dem dach lachen die maribu über diese

vergessenen sechs

stockwerke tiefer gefallen

als ich.

 

haut und knochen hatten sie dafür

kaiser und kommunis

mus meningistu und

ich nur brot

schreit das kind

vor der hütte

sechs stockwerke hoch werfen sie hier

schatten bis die sonne im metaphysischen

abenddunst ihr rot verschluckt

hättest du das kind gesehen du

 

sagte der vater früher

solltest mal die schweineschwänze

essen dann wüsstest du. 

 

 

 

genozidgedenkstätte

ruanda

für damas dukundane

 

wie züge die nicht mehr fahren

auf rostbraunen gleisen geparkt für eine ewigkeit

die aufgebahrten toten.

drinnen wohnen wohl seelen in den vertrockneten

kehlen draußen geht der wind

hier und anderswo brauchen

unsere taten  keinen grund

als uns selbst.

an so einem ort!  an so einem ort

reihen sich worte zu nutzlosen tönen

mit träumenden augen verschlingen  die lebenden

das herz der toten an jedem tag 

ist immer nacht. 

weihnacht

 

in der heiligen nacht sind mir alle katzen

grau bekleidet das

vergebliche sich mit meinem

gewesenen

morgengestern bleiben

die herzen zuhaus

die lichter

brennen für

was weiß denn ich.

 

immer wünsch ich mir

einfach mal nichts und neuen glauben.

noch einmal ein kindlein in tuch

und krippe und wunder unter

dem stern

von bethlehem. 

 

 

tödliche freiheit

südsudan

 

ein flüchtiger mittagswind

bewandert die bougainvilla

bis ihre blüten ins taumeln geraten

und wie verträumte schiffe auf ruhigem meer

segeln, segeln, flirrende luft.

 

soldaten auf dem weg

in die blütenlosen kreise des krieges

auf lastwagen geklebt

im drillichschweiß ihrer körper

laden die gewehre mit

ihren oszillierenden seelen

halten den lauf in den wind.

 

glücklose blüten

auf lauf und haar

ziehen in die schlacht.

noch vor dem abend brennt eine stadt

der letzte vogel zwitschert 

den flammen ein lobeslied

september

für tjorven

 

der lavendel ist verblüht allein

die rosen tragen noch duft

am gartentor klebt

ein toter schmetterling.

 

dass man das alte vergessen muss dem neuen

vergeben verschwiegen wir unseren isomorphen

träumen und  versprachen

uns bis zum nimmerlein : wurzeln und flügel.

 

was bleibt? an der türzarge die abgestrichenen

jahre unserer zeit und

auf deinem kissen federn

von einer

verlorenen schlacht um

einen ewigwährenden tag.   

 

 

ars moriendi

ruanda

für Bartholomäus Grill

 

noch immer ist es der eine

name der einem das herz

das wort gefriert.  

nyamata.

bei nacht am kreuz verging

der gottessohn selig sangen sie zur elften stunde  

sind die barmherzigen.

es regnet hier im april. das schlachten

dauerte vom ersten bis zum letzten dämmer.

selbst das licht war abschiedslos und hernach

legten die untoten die kleidung auf den bänken ab

ließen das blut

an der muttergottes wie herbstblätter am letzten ast

derweil sie

den unrettbar gekreuzigten

noch lange beklagten und sahst du auch die  knochen

stapelten sie in reih und glied den rest

fraßen die hunde.

nur manchmal

spült der regen die erde fort

steigen die toten 

ans licht.

abschied von der tochter

für jona

 

den weg landaus zur ferne  

nahm das kind

bepackt

mit sack und ade pfiff

liedchen blies atem

zu schwaden versprach sich

neuland  die schatten

zu blenden wie licht.

 

jetzt sagte das kind

beginnt

dieses streben zu schwindenden

ufern das strecken

und beugen vom  aufbruch zu träumen

bis die feuer erloschen und glut

uns erwärmt.

 

tausende winter

bannten die sommer, die zärtlichen

spiele der kindheit

auch die fülle

ist nie genug.

 

 

die frau im dorf

malawi

 

in den falten ihres kleides

fangen sich die tage bis es zerreißt

die füße stampfen die hirse die kinder

winden sich wie schlangen an ihrer brust.

am abend setzt sie den mond auf einen plastikstuhl

kratzt den hunger aus den zähnen 

und wartet auf nichts.

grenze mit kindersoldat 

ostkongo

 

wie kann sag ich empört zu dem kind dieser weg

gesperrt sein hier mitten im land das kind

hat seine augen eingebrannt ins hirsebier  sagt

es sei hier der wachsoldat . dazu hebt es den lauf der uzi

25 schuss. wir sind die befreier! keine weiterfahrt

am straßenrand wächst farn im überfluss  im kegel

der vulkane fangen  sich schleier aus niedrigen  wolken

und dunst. es hat eine holzlatte mit nägeln über die fahrbahn gelegt

zweihundert dollar für den freien weg 

halt lieber den mund

sagt der fahrer in mein murren und

general ! ruft er zu dem kind

wie wärs mit essen dir muss

der magen knurren hat man

in dieser öde vergessen

wie hungrig  soldaten sind. nimm hier das halbe brot und

auch  von dem cassava.

gierig schlingt das kind.

und sagt mit vollem mund

für einhundert dollar könnten wir fahren

nur aus dem grund

es kenne den fahrer er sei

wie es selbst aus masisi.

die mutter des fahrers vater verwandt nun lachen

die beiden schüttelt eine hand die andere

sagt das kind fünf scheine, cassava und 

das brot zur gänze  dann würde es seine grenze

von der fahrbahn nehmen 

und gäbe uns bis zum nächsten posten

mit seiner uzi geleit so fahren 

wir durch das  totenreich

mit einem kind hinten  im wagen. 

 

flug über die namib

 

wie kindertraum und wunderland

dieses unbewegte

verformen des wüstensands

das stete

gekräusel im wind das erleuchtete  

flirren wie glut ohne feuer.

 

ach bleiben.

im dürftigen weilen und 

seufzen ins flüchtige   

jetzt.

lüderitz

 

es gibt wetter da sehen sie

niemals das wasser fließt ihnen die wüste

entgegen kommt einer vom meer

mit der flut

verliert sich ein anderer

zum land in die stille

du kennst nicht die nebel die schattigen

geister doch

bricht sich die möwe

am sturm ihre flügel

bewahrt sie der felsen 

vor schwindendem licht. 

hundstage

 

nein es erstirbt kein himmel

wie das meer im dezemberfrost

nur messerscharf mein schlaf.

schabt noch vor mitternacht

brustwirbel, knochen

rauchsäulendünn.

am fransenrand dieser steinernen tage

wisch ich endlich

das alberne geflimmer fort,

die spurlose fährte

eines niemals-wirklich-gewesen und streichle dabei

noch einmal 

das glück wie einen zugelaufenen hund.

folgenlose beziehung

 

was ich dir vorenthalte: eine zeile

von achmatowa in der alles steht was

du über mich nicht wissen sollst und dass ich

einmal einem kind kein leben schenken wollte.

 

meine wege des geringen widerstands

die mich zu diesem keinem jenen führten.

jemand schrieb mir einmal einen brief darin

stand mein herz sei eine mördergrube. 

 

seit ich die vielen toten  in den ruinen

sah fürchte ich den dunklen ruf der krähen.

 

dass du mich halten sollst wenn der wind von westen

wieder das haus ergreift als sei es nur ein boot.

steigen, sinken. nie werde ich dich bitten, mir zu folgen.

generalissimo

südsudan

 

nachdem sie die leichen

vom asphalt gekratzt und aus den räumen geholt

in denen sie zu tode gefoltert, erschossen,

hände gefesselt auf dem rücken

schien die sonne in juba.

am abend verstummten die soldaten über dem schaum

auf hellem hopfen, sie träumten vom ufer

und dem wasser des weißen nils.

oder vom rauschen

des lebens. vom spiel.

die müdigkeit ertrank in ihren gläsern

und einer - der hatte sich zum

general getötet – wollte

von sich noch ein foto digital,

für sein kind.

er fiel, sieben sonnenkriegstage später

fiel er vom lastwagen, brach

ohne letzten gedanken sich das genick.

solch ein tod reicht nicht

für den status eines helden, er gab

das foto keinem kind.

wo sie ihn verscharrten

harte erde, das grab war nicht tief

frassen ihn die geier schon nach einem tag. 

dadaab

kenia

 

sieben tage über die ebene

im beutel drei schaufeln  maismehl für

brot das eilig

zusammengeraffte passt

in die wölbung der hand.

die kinder

birgt sie unter den röcken

das schwächste ließ sie

zurück am weglosen rand

die sterne weisen auch ohne die nacht

nur immer nach süden.

einhundert kilometer die kinder

haben das atmen vergessen  die füße

bluten im schuh

sagt man die weißen zelte sieht man

von weitem  riecht man die

feuer von dämmer zu dämmer

glaubt sie an rettung: dadaab.

 

herbst

 

Im november fallen die raben

über die letzten äcker

jagen von einem

zu keinem anderen

schatten.

im halbseidenen licht

verkreist sich das laub

schon wohnt moos

auf den witteren balken.  

spur der rehe zieht mir

ins verschwiegene.

gleichwohl erst der letzte sturm

die entlaubten

ins kaltleere land verstößt

sing ich schon vordem

mir lieder vom schnee. 

heimat

 

mohnblüten schaukeln vorhinter dem haus

im beet die unerwünschte brennnessel und 

die birke sehnt sich nach den steppen

des nordens. am morgen

schlingt  sich mein kind um mich

worte mit denen es eine welt erschafft 

nimmt

den tag in feste hände.    

am abend singt die amsel ihr tedeum

flattern die wolken um zittrige kronen

freundliche schatten tanzen in meinen schlaf. 

 

Alle Texte und Fotos © andrea jeska    andrea.jeska@gmail.com         +49.171.2031037   

skype: andreajeska1    

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